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Personal und Organisation des Wiener Hofes im 18. Jahrhundert

Das Projekt

Der Wiener Kaiserhof der Frühen Neuzeit stellt nun bereits seit mehreren Jahrzehnten ein intensiv bearbeitetes Forschungsfeld dar. Immer stärker tritt seitdem die Diskrepanz zwischen einzelnen, gut untersuchten Teilbereichen des Hofes und dem praktisch nicht vorhandenen Wissen um die internen Arbeitsabläufe und Entscheidungsprozesse zu Tage. Über die organisatorischen Strukturen, die hinter dem schönen Schein der höfischen Welt lagen, sowie über das Personal, das mit seiner Arbeitsleistung den Betrieb erst ermöglichte, ist nicht viel bekannt. Eine umfassende Aufarbeitung der überlieferten Quellen steht bisher noch aus.

Ein neues Forschungsprojekt an der Universität Wien widmet sich diesem Themenkomplex. Anhand zweier Quellengattungen, nämlich dem Hofkalender (mit enthaltenem Verzeichnis des Hofpersonals) und den Hofparteienprotokollen (Bittschriftenprotokolle), sollen intensive prosopographische Studien zu den am Wiener Hof beschäftigten Frauen und Männern betrieben werden.

Das Projekt verfolgt das Ziel, höfische Karriereverläufe offenzulegen, Hierarchie- und Machtverhältnisse aufzuzeigen und Entscheidungsprozesse nachvollziehbar zu machen. Außerdem sollen der Verteilung herrschaftlicher Gnadenerweise (etwa von Ämtern, Titel, Pensionen, Almosen) nachgespürt werden und dadurch einige Lücken im Wissen um den Wiener Hof geschlossen werden.

 

Die Quellen

Wir stützen unsere Projektarbeit auf zwei Hauptquellen.

  • Den kaiserlichen Hof- und Ehrenkalender zu Wien, kurz Hofkalender genannt. Dabei handelt es sich um gedruckte Kalender, die in ihrer großformatigen Ausgabe (Quartformat) alljährlich seit 1715 ein Verzeichnis des Hofpersonals enthielten. Es sind fast alle Jahrgänge zwischen 1715 und 1806 in Wien zu finden, vor allem in der Bibliothek des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien, in der Österreichischen Nationalbibliothek und in der Wienbibliothek im Rathaus. Nur wenige Jahrgänge mussten aus dem Ausland (etwa aus der Herzog-August Bibliothek in Wolfenbüttel und der Staatsbibliothek Bamberg) ergänzt werden. Für jene Jahrgänge, für die keine Hofkalender mit dem notwendigen Hofstaatsverzeichnis überliefert sind (1711-1714, 1741-1744, 1768, 1782) wurden die entsprechenden Jahrgänge des Staats- und Standeskalender, besser bekannt unter „Schematismus“ herangezogen. Da jedoch auch die Schematismen nicht für alle fraglichen Jahrgänge vorliegen, wurden eventuelle Lücken (vor allem die 1710er und 1740er Jahre) aus den Hofparteienprotokollen ergänzt (Diese Ergänzungen wurden in der Datenbank jeweils in der „Quellenspalte“ ausgewiesen. Die Abkürzung „P“ steht dabei für Protokoll – gemeint sind die Hofparteienprotokolle – mit der jeweiligen Bandnummer und der Folioangabe. Auf diese Weise bleibt die Herkunft der Daten in der Datenbank (hoffentlich) nachvollziehbar).
  • Die Hofparteienprotokolle. Dabei handelt es sich um umfangreiche Protokollbände aus dem Bestand des  Obersthofmeisteramts. Sie wurden ab 1637/1638 angelegt und dienten primär als Supplikations- und damit im Zusammenhang auch als „Auslaufregister“. Als solche protokollierten sie (fast) alle administrativen Vorgänge der Hofverwaltung, speziell Personalangelegenheiten wie Aufnahmen, Beförderungen, Besoldungssachen oder Altersversorgungen. Diese Protokollbände befinden sich heute ebenfalls im Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Dazu gehören die parallel geführten Serien der Obersthofmeisteramts-Akten und der Konzepte.

 

Die Datenbank

Das wichtigste Arbeitsinstrument für das Projekt stellt eine MS-Access Datenbank dar, die eigens für das Projekt erstellt wurde. Mit ihr ist es möglich, die einzelnen Karriereschritte der höfischen FunktionsträgerInnen gesammelt zu erfassen und für eine weitere Auswertung bereitzustellen. Derzeit beinhaltet die Datenbank die Karriereinformationen von etwas mehr als 6.000 Personen (1711 bis 1806).

Jede Person bekommt ein eigenes Datenblatt. In diesem werden die Karriereschritte dieser Person von der ersten bis zur letzten namentlichen Erwähnung im Hofkalender verzeichnet. Dabei werden nicht nur das Amt (oder die Ämter) aufgelistet, die diese Person im Laufe ihres Arbeitslebens durchlief, sondern diese werden auch den einzelnen Hofstäben (Obersthofmeister-, Oberstkämmerer-, Obersthofmarschall-, Oberststallmeisterstab) sowie den jeweiligen Hofstaaten (also etwa jenem des Kaisers, der Kaiserin, der Erzherzoge und Erzherzoginnen, der Kaiserinwitwen) zugeordnet. Aus Platzgründen mussten die Bezeichnungen für die Hofstäbe und Hofstaaten abgekürzt werden

Die Datenbank erlaubt die Suche nach Personennamen (oder Namensteilen), nach Ämtern, Hofstäben und Jahren (siehe Abbildung, alles was mit „Suche:“ beginnt). Mit ein paar Klicks kann man sich also das Hofpersonal beliebig  auswerfen lassen. Natürlich geht das nur für jene Daten, die uns unsere Quellen zur Verfügung stellen – weshalb namentlich nicht verzeichnete Personen daher auch nicht in die Datenbank aufgenommen werden können. Dies gilt beispielsweise für die zahlreichen Kutscher, Leibgardisten, Küchengehilfen, Kesselreiber, Holzträger etc. , deren Namen uns der Hofkalender leider verwehrt. 🙁

Als Beispiel ist hier das Datenblatt des Obersthofmeisters Maria Theresias, Fürst von Khevenhüller-Metsch, abgebildet. Es zeigt die „Stationen“, die Khevenhüller-Metsch im Laufe seiner höfischen Karriere durchlaufen hat. Da für die frühen 1740er Jahre keine Wiener Hofkalender mit Hofstaatsverzeichnissen überliefert sind, wurden die Daten aus den (Hofparteien-)protokollen (daher kurz „P„) ergänzt. Daneben folgen die Band- und die Folioangaben. Band 17 der Hofparteienprotokolle umfasst die Jahre 1741-1744. Für die Zeit davor und danach sind wieder Hofkalender verfügbar, die als „Standardquelle“ jedoch nicht extra angeführt sind.

Die Abkürzungen in der Titelspalte  – sie stellen hier hauptsächlich Ehrentitel dar – finden Sie hier.

Screenshot Khevenhüller